Schüleraustausch 2024/2025
Letztes update aus Worthington
Lilli Gebert, Austauschschülerin aus Crailsheim, lebte nun ein Jahr in Worthington, Minnesota (USA). In ihrem letzten Brief berichtet sie von vielen unvergesslichen Erlebnissen in den letzten drei Monaten ihres Austauschjahres in den Vereinigten Staaten und lässt ihre Heimat an ihrem Alltag und ihren Abenteuern in den USA teilhaben.
Hallo Crailsheim,
heute melde ich mich ein letztes Mal bei Euch allen und mir fehlen tatsächlich die Worte, um zu beschreiben, wie schnell ich nun an das Ende meines Austauschjahres angelangt bin. Somit lest ihr nun meinen letzten Bericht für dieses, für mich, unvergessliche Jahr. Ich nehme Euch nochmals mit auf meine Reise, die ab Mai für mich persönlich eine große Veränderung bedeutete. Ich musste ein letztes Mal meine Koffer packen, um zu meiner neuen, aber leider auch letzten Gastfamilie umzuziehen.
Bevor ich aber zu den Gordon’s umzog, musste ich noch mein Senior-Assassine-Spiel zu Ende führen, da auch bald schon die Schule endete. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an meinen letzten Bericht. Es geht um das Wasserspiel, ähnlich wie Lasertag. Ich bin sehr weit gekommen, nämlich in die Top 10. In diesen hat jeder Teilnehmer nochmals ein neues Ziel zugeteilt bekommen. Leider war dann das Spiel für mich mit Erlangen des vierten Platzes beendet. So weit ist bisher noch kein Austauschschüler gekommen.
Mitte Mai ging auch die Softball-Season zu Ende und das machte mich sehr traurig. Mit jedem Tag rückte mein Heimflug immer näher und somit auch das „Auf Wiedersehen“ sagen.
Jedes Jahr findet ein sogenannter „Heart Walk“ in Minneapolis statt. Bei diesem „Herz-Lauf“ laufen ganz viele Leute für Menschen, die eine schwere Erkrankung am Herz überlebt haben. Da meine Familie jemanden kennt, ist es immer ein fester Termin in ihrem Kalender. Ich bin natürlich gerne auch ein Teil dieses Laufs gewesen. Am selben Tag sind wir dann nach Duluth gefahren und haben dort das Wochenende verbracht. Am Abend haben wir eine Vorstellung von Riverdance besucht. Dieser Auftritt war atemberaubend.
Am nächsten Tag haben wir einen berühmten schwarzen Sandstrand besucht. Es war auch echt cool, so etwas mit dem bloßen Auge zu sehen und nicht nur auf Bildern. Da meine Gastmama Dawn das Wandern sehr liebt, sind wir noch zu verschiedenen Wasserfällen gewandert. Danach ging es für uns leider auch schon wieder auf den Heimweg zurück nach Worthington.
Alle Seniors machen am Ende des Schuljahres einen sogenannten Senior-Skip-Day. Da gehen alle Abschlussschüler nicht in die Schule und machen sich einen schönen Tag mit Freunden. Meine besten Freunde und ich sind nach Sioux Falls gefahren und haben Top-Golf gespielt. Es hat sehr viel Spaß gemacht, noch einmal gemeinsam Zeit zu verbringen.
Ende Mai konnte ich meine Eltern wiedersehen. Sie waren für meine Graduation und einen gemeinsamen Urlaub nach Amerika gereist. Im ersten Moment war es ein bisschen komisch, sie wieder bei mir zu haben, weil ich sie schon so lange nicht mehr gesehen hatte. Aber ich habe mich so sehr auf sie gefreut. Nachdem sie sich von ihrem langen und anstrengenden Flug ein bisschen erholt hatten, wollte ich ihnen natürlich auch zeigen, wo ich die ganze Zeit war. Deshalb habe ich ihnen Worthington und auch Sioux Falls gezeigt. Vom wunderschönen Park mit dem Wasserfall, bis hin zu dem Ausblick über Sioux Falls, aber auch die Einkaufs-Mall.
Am 30. Mai war mein offiziell letzter American-High-School-Schultag. Ein letztes Mal meine Lehrer, aber auch meine Schule zu sehen, die ich über das Jahr lieben gelernt habe. Und nicht nur wegen meiner Schulfächer, auch wegen meiner Freunde, die ich hier fand. Es bleibt ein Teil meines Herzens hier. Ich habe mir immer mal gewünscht, die „Plege of Allegance“ durch die Lautsprecher der Schule am Morgen sprechen zu dürfen. Und, der Wunsch ist mir am letzten Schultag erfüllt worden. Es war, um ehrlich zu sein, ein sehr schöner und emotionaler Moment.
Am selben Abend hieß es dann Graduation. Der Moment, den ich für immer in Erinnerung behalten werde, wenn ich an die Highschool-Zeit zurückdenke. Und dabei, wie ich mit meinen Freunden auf den Stühlen sitze und wir über die Bühne laufen, um unsere Abschlusszertifikate abzuholen, und wie am Ende Konfetti überall in der Luft verteilt war.
In Amerika haben alle nach ihrer Graduation eine kleine Party für Freunde und Familie. Dort stellen sie ihr ganzes Leben mit Fotos und allem, was sonst noch dazugehört, von der Grundschule bis zum Abschlussjahr, aus. Damit jeder sehen kann, was man erreicht bzw. wie man sich entwickelt hat. Meine fand bei Pat und Ken Henkels statt. Alle meine Freunde sind gekommen und wir haben gemeinsam meinen Abschluss gefeiert. An dieser Stelle möchte ich der Familie Henkels nochmals ausdrücklich danken, dass sie meine Party in
Hause ausgerichtet hat. Auch auf diesem Wege ein herzliches Dankeschön an das Crailsheim-Komitee.
Meine Eltern und ich haben einen gemeinsamen Roadtrip durch insgesamt acht Bundesstaaten gemacht. Zuerst waren wir beim berühmten Mount Rushmore. Danach sind wir über die Badlands, Black Hills, Devils Tower und Custer State Park bis zum berühmten Yellowstone National Park gefahren. Dort sind wir mehrere Tage geblieben. Es gab so viele faszinierende Sachen zu sehen. Die sogenannten Hot Springs hatten ganz viele leuchtende Farben, einfach toll.
In Deutschland sieht man normalerweise keine Bären, aber in Amerika ist es gar nicht so ungewöhnlich, welche zu sehen. Wir haben an einem Tag sogar fünf gesehen und alle an verschiedenen Orten. Wir waren dann bis abends im Park und man hatte die Tiere überall herumlaufen sehen. Eine ganze Büffelherde ist sogar vor uns über die Straße gerannt. Es hat sich angefühlt, als ob man gerade eine Safari macht. Es war so wunderschön, die ganzen Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen. Nicht weit weg von Yellowstone ist die Stadt Cody mit einer Rodeo-Arena. Wir konnten eine Vorstellung besuchen und einmal in diese Kultur eintauchen.
Mit meiner vorherigen Gastfamilie Widboom habe ich immer sonntags den Gottesdienst und mittwochs die Jugendgruppe besucht. Es war eine schöne Zeit. Sie haben mich sehr herzlich aufgenommen und ich habe mich sehr wohlgefühlt. Gemeinsam mit der Jugendgruppe durfte ich zu einem Serve-Trip nach Anaheim in Kalifornien mitgehen. Das ist eine Reise, die die Kirche jedes Jahr unternimmt, um Menschen in Not zu helfen. Wir haben unsere Arbeit angeboten, wie zum Beispiel an einem Tag, an dem wir geholfen haben, Kohlköpfe zu ernten. Diese wurden dann kostenlos an Menschen verteilt, die kein Geld für Lebensmittel haben, oder an Menschen in Not. Deshalb ist die Organisation auf freiwillige Arbeit angewiesen. Wir haben ganz viele solcher Sachen gemacht.
Zudem haben wir auch viele neue Leute kennengelernt, die von anderen Kirchen gekommen waren. Zusammen haben wir auch gemeinsame Gottesdienste gefeiert. Es war wunderschön zu sehen, wie alle zusammenkamen und wir zu einer großen Gemeinschaft wurden.
Mit jedem Tag habe ich noch einmal mehr realisiert, was für eine tolle Zeit ich in Worthington hatte und wie sehr ich alles schätze. Als ich von Kalifornien wieder nach Worthington zurückkam, hatte ich noch zwei Wochen Zeit, bis ich in den Flieger nach Hause steigen musste. Aber um genau zu sein: eine Woche in Worthington mit meinen Freunden und die letzte Woche mit meiner Gastfamilie in Orlando, Florida.
Die letzte Woche hatte ich ganz viel mit meinen Freunden gemacht. Wir sind zu unseren Lieblingsrestaurants gegangen und zu unseren Lieblingsorten. Darunter war eine Übernachtung im Baumhaus meiner Freundin und am See eine Tasche, mit unserem Lieblingsessen im Sonnenschein, zu bemalen.
Am Ende der Woche hatten meine Gastfamilien eine Abschiedsparty für mich organisiert. Ich hatte alle meine Freunde und Leute, die mich über das Jahr begleitet haben und wichtig waren, eingeladen. Zusammen haben wir ein paar Spiele gespielt und am Lagerfeuer gemeinsam Marshmallows gegrillt und sogenannte Smores gemacht. Das sind Cracker, bei denen in der Mitte Schokolade und ein gegrilltes Marshmallow zusammengepresst werden. Ich wurde von Widboom’s mit einer Heufahrt ins Feld und einem Feuerwerk überrascht.
Ich bin meinen Gastfamilien so unendlich dankbar, für das alles, was sie für mich getan haben.
Der vierte Juli, „Independence Day“, ist ein großer Feiertag für alle Amerikaner. Wir hatten am See gefeiert und ich durfte auf einem Jetski zum allerersten Mal fahren. Es war eine echt coole Erfahrung.
Kaum war die Woche vorüber, ging es ans Kofferpacken. Aber nicht nur für meine Reise zurück nach Crailsheim, sondern auch für einen letzten Trip nach Florida.
Ich hatte das Glück, an meinem Geburtstag, nach Disney World zu gehen. Wir gingen in alle vier Parks. Wir haben noch so viele gemeinsame Erinnerungen schaffen können. Es war ein magischer Tag voller unbeschreiblicher Erlebnisse, die ich so gar nicht in Worte fassen kann. Am nächsten Tag fuhren wir zu den Universal Studios. Dort konnten wir in die verschiedenen Welten eintauchen. Es war, als ob ein Kindheitstraum wahr geworden wäre. Am Ende meiner Zeit in Florida waren wir am letzten Tag noch am Strand und hatten dort den sonnigen Tag genossen.
Am folgenden Tag ging es zurück nach Worthington, bereits in Gedanken vier Stunden später am Flughafen sein zu müssen, um zurück nach Deutschland zu fliegen. Den ganzen Flug zurück nach Worthington konnte ich kaum fassen, dass ich wirklich nach Hause muss. Es kam mir gar nicht so vor, dass ich schon ein Jahr hier war. Meine ganzen Freunde, die ich hier gefunden habe, muss ich jetzt zurücklassen und sehe sie für eine längere Zeit erst mal nicht mehr.
Ich hatte die Gelegenheit, so viele neue und wunderbare Menschen kennenzulernen. Dabei habe ich lebenslange Freundschaften geschlossen. Ich bin gewachsen und habe eine ganz neue Seite an mir entdeckt. Das hätte ich in Deutschland so nicht finden können. Ich hatte die Möglichkeit, viel zu reisen, 13 verschiedenen Bundesstaaten, was ich nie erwartet hätte. Ich wurde immer gefragt: „Wie gefällt dir Amerika?“ oder „Was gefällt dir an Amerika am besten?“. Meine Antwort darauf ist ganz einfach. Ich liebe mein Leben hier in Amerika, aber nicht unbedingt wegen des Ortes, sondern wegen der Menschen, mit denen ich zusammen bin.
Es gibt ein sehr schönes Sprichwort: „Es kommt nicht darauf an, wo du bist, sondern mit wem du zusammen bist.“ Meiner Meinung nach ist das so wahr. Ich habe hier Leute und wunderbare Freunde gefunden, die ich nicht mehr loslassen möchte. Für mich ist es nicht nur ein Jahr in meinem Leben, es ist ein Leben in einem Jahr. Ich habe meine Komfortzone verlassen, und das ist das Beste, was ich je tun konnte. Denn, das Leben findet außerhalb deiner Komfortzone statt.
Ich hatte immer Gedanken wie „Was wäre, wenn…“, aber das war völlig unnötig, denn alles hat geklappt, und ich bin so froh, dass ich mir nicht zu viele Gedanken über das „Was wäre, wenn…“ gemacht habe.
Denn so konnte ich, ich selbst sein und mich in jeder neuen Sache, die ich ausprobiert habe, wiederfinden. Auch wenn das bedeutete, dass ich ein paar Mal in der Notaufnahme landete. Aber es war trotzdem die richtige Entscheidung. Und ich würde es jedes Mal wieder genauso machen.
Die ganze Zeit konnte ich sagen: „Ich bin Austauschschülerin.“, aber jetzt muss ich sagen: „Ich war Austauschschülerin“, was mir wirklich das Herz bricht. Ich bin noch nicht bereit, alles loszulassen und es zu einer Erinnerung in meinem Kopf werden zu lassen. Viele Leute haben mich auch in der vergangenen Zeit gefragt, ob ich denn kein Heimweh hätte. Aber für mich war und ist es noch so, dass ich gar nicht mehr genau weiß, wo mein Zuhause ist. Mein Herz ist an zwei Orten zu Hause, für immer. Ich bin meinem Herzen gefolgt, und es hat mich an diesem Tag zum Flughafen geführt. Ich bin so dankbar für alles, was ich in Worthington erleben durfte, und für alle, die meinen Aufenthalt hier unvergesslich gemacht haben. Besonders möchte ich mich bei beiden Komitees und der Stadt Crailsheim bedanken, die all dies möglich gemacht haben. Ich bin zutiefst dankbar für meine Erfahrungen hier.
Aber ich möchte auch meinen Gastfamilien danken, die mich wie ihre Tochter oder Schwester aufgenommen haben und mir so viel gezeigt haben. Zu Beginn meines Jahres hatte ich nur zwei Geschwister, aber jetzt habe ich viel mehr als das. Nichts kann jemals damit verglichen werden. Auch meinen Eltern möchte ich für deren Unterstützung ganz herzlich danken.
Zum Schluss noch ein Zitat, das perfekt passt: „Entfernung bedeutet so wenig, wenn jemand so viel bedeutet.“ Ich möchte das sagen, weil es nicht das letzte Mal war, dass ihr mich in Worthington gesehen habt. Ich werde dorthin zurückkommen, denn die Entfernung kann mich niemals von meinem zweiten Zuhause fernhalten.
Dankeschön für die wundervolle Zeit.
Lilli Gebert
Austauschschülerin 2024/2025

