Scholl-Grimminger-Preis
Für soziale Gerechtigkeit und klimagerechte Demokratie
Die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer und der frühere evangelische Dekan Peter Pfitzenmaier wurden im Beisein zahlreicher Gäste mit dem „Scholl-Grimminger-Preis der Stadt Crailsheim“ 2023 im Ratssaal geehrt.
Taten, die nicht vergessen sind. Mut, Einsatz und Engagement für die demokratische Grundordnung, die bis heute wirken. Dass Hans Scholl und Eugen Grimminger zum Gesicht der Stadt Crailsheim gehören, wurde den rund 240 Gästen am Sonntagabend im Ratssaal einmal mehr vor Augen geführt. Die Verleihung des „Scholl-Grimminger-Preises“ 2023 – ein schöner Anlass, hinter dem ein allerdings ein Teil der deutschen Geschichte steckt, der bis heute seine mahnende Wirkung nicht verloren hat.
Und so kam es innerhalb der zwei Stunden zu einem Wechselbad der Gefühle: Musikstücke, die zu Tränen rührten, flammende Reden über Freiheit und eine widerstandsfähige Demokratie und Einblicke in die Biographien der beiden Namensgeber des Preises, Hans Scholl und Eugen Grimminger, die für eine nachdenkliche Stille im Ratssaal sorgten.
„Mit dem Scholl-Grimminger-Preis möchten wir an diese beiden Söhne der Stadt Crailsheim erinnern. Wir würdigen deren tapferen, engagierten und unerschrockenen Einsatz, den sie trotz des steten Bewusstseins um individuelle und familiäre Konsequenzen ihres Handelns bewiesen“, sagte Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer in seiner Rede. Gleichzeitig würdige die Stadt mit dem Preis Personen, die sich heute in außergewöhnlicher Weise für Freiheit, Frieden, zwischenmenschlichen Respekt sowie die Stärkung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einsetzen und verdient machen – und da fällt die Sprache dann auch schon auf die beiden Preisträger, Peter Pfitzenmaier in der Kategorie lokal/ regional und Luisa Neubauer in der Kategorie national/ international.
Große Spuren hinterlassen
Der evangelische Dekan Peter Pfitzenmaier wurde 1942 in Stuttgart geboren, studierte Theologie in Tübingen sowie Heidelberg und kam 1993 nach Crailsheim. „Bis 2008 wirkte er in diesem Amt, und auch danach engagierte er sich in vielfältiger und fruchtbarer Weise für die Menschen in Crailsheim und die hiesige Stadtgesellschaft“, sagte Oberbürgermeister Grimmer in seiner Laudatio. Pfitzenmaier habe durch sein großes soziales und gesellschaftliches Engagement viele Spuren hinterlassen und sich vor allem auch für die Menschen eingesetzt, die häufig nicht wahrgenommen werden: Jugendliche, bedürftige Menschen, wirtschaftlich schwache Menschen in prekären Lebensverhältnissen, Asylbewerber und Flüchtlinge.
„Einen Preis zu erhalten und ihn dann auch anzunehmen, sind zweierlei Dinge. Mein erster Gedanke war, dass ich selbst viele andere Menschen kenne, denen ich den Preis verliehen hätte, und dass ich mich gar nicht würdig fühle“, so Pfitzenmaiers bescheidenen Worte. Doch er habe begriffen, dass es der Stadt guttut, wenn sie mit dieser Preisverleihung regelmäßig daran erinnert, welche Persönlichkeiten hier geboren wurden. „Es geht dabei weniger um meine Verdienste, als vielmehr um die der Herren Scholl und Grimminger“, sagte der Preisträger. Doch Pfitzenmaier selbst muss sich nicht verstecken, denn die Liste seiner Aktivitäten ist lang: Angefangen beim Neubau des Bezirksjugendwerks in der Bergwerkstraße oder bei Begründung und Bau des Hauses der Diakonie auf dem Kreuzberg über die Schaffung der Außenstelle der Aufbaugilde Heilbronn für die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen sowie die Einrichtung und Unterstützung des Tafelladens bis hin zum Engagement für den Freundeskreis Asyl oder der Gründung des Fördervereins der Psychologischen Beratungsstelle.
„Dieser Förderkreis liegt mir sehr am Herzen, weshalb ich mein Preisgeld auch dafür einsetzen werde“, sagte Pfitzenmaier. „In besonderem Maße engagierte er sich auch in der Weiße-Rose-Erinnerung in Crailsheim und war unter anderem für die jährliche Gedenkfeier zur Reichspogromnacht verantwortlich“, so Grimmer.
Widerstand, der Mut macht
In diesem Zusammenhang sei auch ein besonderer Gast des Abends erwähnt: Dr. Hildegard Kronawitter, die Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung München, hielt die Festrede und betonte dabei nicht nur das unermüdliche Engagement von Hans Scholl und Eugen Grimminger, sondern auch die Preiswürdigkeit von Pfitzenmaier und Neubauer. „Es geht um Widerstand, der Mut machend ist. Um den Aufruf zum Engagement und die Übernahme persönlicher Verantwortung. Und da wünsche ich mir, dass die beiden diesjährigen Preisträger weiterhin für die Zivilgesellschaft und eine lebendige Demokratie eintreten“, so Dr. Kronawitter.
Dass ein solches Engagement naturgemäß nicht nur auf Zustimmung stößt, versteht sich von selbst. „Es gibt Vorbehalte, gelegentlich auch Anfeindungen. Peter Pfitzenmaier war und ist ein Mann, der auch bei Gegenwind klar Stellung bezog und mutig Zeichen setzte“, sagte Oberbürgermeister Grimmer und verlieh ihm für seine besonderen Verdienste und seinen außergewöhnlichen Einsatz für das Zusammenleben in der Stadt Crailsheim den „Scholl-Grimminger-Preis“ 2023 in der Kategorie lokal/ regional.
Für klimagerechte Demokratie
Beim Stichwort Gegenwind ist schnell die Brücke zur zweiten Preisträgerin geschlagen: Die 27-jährige Luisa Neubauer, Deutschlands wohl bekannteste Klimaschutzaktivistin, wurde in der Kategorie national/ international mit dem „Scholl-Grimminger-Preis“ 2023 geehrt. Oberbürgermeister Dr. Grimmer betonte ihr besonderes Wirken für Gerechtigkeit und Freiheit auf der Grundlage der Erhaltung von natürlichen Lebensgrundlagen und ihr außergewöhnliches zivilgesellschaftliches Engagement: „Sie sind eine der Hauptorganisatorinnen von ,Fridays for Future‘ in Deutschland und engagieren sich in zahlreichen weiteren Nichtregierungsorganisationen für einen konsequenten Klimaschutz, für internationale Klimagerechtigkeit und für Generationengerechtigkeit sowie gegen weltweite Armut.“. Mit ihrer Arbeit gelinge es ihr, insbesondere junge Menschen anzusprechen und für ein Engagement im politischen Willensbildungsprozess zu motivieren. „Damit trägt sie zu einer lebendigen demokratischen Auseinandersetzung bei“, sagte Grimmer.
„Wie begegnet man so einer Würdigung? Ich denke da vorrangig an den Mut von Hans Scholl und Eugen Grimminger, ihren Einsatz und ihre Überzeugung. Da gab es kein Weggucken und kein Wegducken, und ich bin sehr froh, dass die Stadt Crailsheim diesen Preis ins Leben gerufen hat“, sagte Neubauer in ihrer Dankesrede. Denn über die Zukunft zu sprechen, so wie sie es tue, funktioniere nur, wenn gleichzeitig der feste Entschluss herrsche, aus der Vergangenheit zu lernen. „Wir sollten uns inspirieren lassen vom Mut und Widerstand der beiden Personen, die hinter dem Preis stehen“, so Neubauer, die bei der Preisverleihung im Crailsheimer Ratssaal von Personenschutz begleitet wurde. Glücklicherweise unbegründet, doch wie es meist der Fall ist, wenn sich Menschen für eine Sache einsetzen, erfährt auch Neubauer regelmäßig Widerstand und Anfeindungen.
„Ich kann nachvollziehen, dass die ethische Neusortierung manche Menschen verwirrt oder sogar kränkt. Aber diesen bedrohenden Hass, den kann ich nicht verstehen. Doch davon lassen wir uns nicht einschüchtern“, sagte Neubauer. Ihre Auszeichnung mit dem „Scholl-Grimminger-Preis“ war auch in der Crailsheimer Stadtgesellschaft sowie den Sozialen Medien kontrovers diskutiert worden. „Trotz dieser Anfeindungen und Gefahren für Ihre persönliche Sicherheit bleiben Sie standhaft. So machen Sie immer wieder unerschrocken darauf aufmerksam, dass unsere bisherigen Vorstellungen von materiellem Wohlstand nicht auf nachhaltige Art und Weise befriedigt werden können. Dass die Lebensweise, die wir führen, permanent ungedeckte Kosten in Form von sozialen Missständen sowie Umwelt- und Klimabelastung produziert“, sagte Grimmer, und weiter: „Ich freue mich deshalb, Ihnen den ,Scholl-Grimminger-Preis der Stadt Crailsheim‘ 2023 überreichen zu dürfen.“
Nach der Preisverleihung trugen sich die beiden Preisträger sowie Festrednerin Dr. Hildegard Kronawitter noch ins Goldene Buch der Stadt Crailsheim ein und kamen anschließend bei einem Stehempfang ins Gespräch mit den zahlreichen Gästen. „Ich danke Ihnen allen dafür, dass Sie das Gedenken an Hans Scholl und Eugen Grimminger sowie unsere demokratischen Werte am Leben halten“, meinte Oberbürgermeister Dr. Grimmer zum Abschluss.