Kommunaler Wärmeplan
Weichenstellung für eine nachhaltige Zukunft
Der vorliegende kommunale Wärmeplan für Crailsheim offenbart eine klare Analyse und eine ehrgeizige Vision für die Zukunft der Wärmeversorgung in der Stadt bis ins Jahr 2024. Basierend auf umfassenden Untersuchungen präsentiert der Plan eine detaillierte Bestandsanalyse, eine Potenzialbewertung und ein Zielszenario. Durch den Beschluss ändert sich für Bürgerinnen und Bürger zunächst nichts, die Finanzierung der Projekte wie Wärmenetze liegt zunächst bei den Stadtwerken.
Seit der Novellierung des Klimaschutzgesetzes Baden-Württemberg im Oktober 2020 ist die Erstellung von kommunalen Wärmeplänen für Stadtkreise und Große Kreisstädte verpflichtend. Diese Pläne müssen bis zum 31. Dezember dieses Jahres dem Regierungspräsidium vorgelegt werden. Zusätzlich müssen fünf Maßnahmen aus dem Plan benannt werden, mit deren Umsetzung bis 2028 begonnen werden soll. Eine Aktualisierung des Plans muss alle sieben Jahre erfolgen.
Obwohl der Bundesgesetzgebungsprozess für eine bundeseinheitliche Verpflichtung zur Erstellung solcher Pläne noch nicht abgeschlossen ist, gehen Experten davon aus, dass die auf Landesebene beschlossenen Pläne den zukünftigen Bundesrichtlinien entsprechen werden. Das wurde auch mehrfach in der Sitzung des Bau- & Sozialausschusses sowohl von der Verwaltung als auch von Seiten der Stadtwerke betont.
In der Gemeinderatssitzung im März wurde bereits über Zwischenergebnisse informiert, darunter neue Zielsetzungen für 2030 und 2040 sowie eine Strategie zur Wärmewende mit einem Katalog an Maßnahmen. Diese Entwicklungen markieren wesentliche Neuerungen im Prozess der kommunalen Wärmeplanung. Im jüngsten Ausschuss gab es weitere Informationen von den Stadtwerken, die Eva Reu und Ron Hilgart präsentierten.
Herausforderungen und Ausgangslage
Der Großteil der Wärmeerzeugung, fast 80 Prozent, erfolgte 2020 mithilfe von Erdgas und Heizöl, berichtete die beiden Experten der Stadtwerke. Alarmierend sei, dass über 4.000 fossilbetriebene Wärmeerzeuger über 20 Jahre alt sind, 1.700 davon sogar über 30 Jahre. Zudem wurden über die Hälfte der Gebäude vor der ersten Wärmeschutzverordnung errichtet. Dies ergebe ohnehin absehbar einen Handlungsbedarf. Der Energieverbrauch ergab in 2020 einen CO2-Ausstoß von rund 147.000 Tonnen im Jahr, 2040 soll dieser um 95 Prozent verringert werden auf rund 8.000 Tonnen jährlich. Das soll sich durch eine Veränderung im Wärmemix ergeben - weniger Erdöl, mehr Erneuerbare Energien.
Chancen und Engpässe
Die Analyse offenbarte, dass es keine herausragenden lokal verfügbaren, treibhausgasneutralen Energiequellen gibt. „Erdwärme ist bei uns in Crailsheim nicht die erste Wahl, außer in Randgebieten“, sagte Hilgart. Die Grundwegsiedlung sei ein Beispiel, wo man bis zu vier Meter in die Tiefe könne. „Das ist in der Innenstadt eher nicht möglich“, sagte Hilgart. Zwar zeigen verschiedene Energiequellen Potenzial, doch viele sind nur zentral erschließbar. Einzelne Quellen wie Flüsse, Flächen und industrielle Abwärme bieten lokal begrenzte Chancen. Es läuft bereits ein Projekt der Stadtwerke mit der Firma Bürger, deren Abwärme im neuen Hallenbad im Maulachtal genutzt werden soll. „Das ist eine Stärke Crailsheims, diese Abwärme unserer Industrie, von der wir viel haben. Insgesamt stehen wir sehr viel besser da als andere Kommunen unserer Größe“, betonte Hilgart.
Wärmestrategie mit Top-Maßnahmen
Die Wärmewendestrategie erläuterte Eva Reu. Sie müsse in Crailsheim auf eine breite Beteiligung von Bürgern, Gewerbe und Verwaltung setzen. Dabei wurden verschiedene Maßnahmen zur Treibhausgasminderung skizzenhaft erarbeitet und in vier Kategorien unterteilt: Informationen, Kommunikation und Beratung (7 Maßnahmen), technische Projekte und Quartiere (16 Maßnahmen), organisatorische Prozesse in der Verwaltung (7 Maßnahmen) „sowie mindestens 5 ausgearbeitete Top-Maßnahmen gemäß Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg“, sagte Reu. Diese Top-Maßnahmen sind detailliert ausgearbeitet und sollen innerhalb von fünf Jahren nach Veröffentlichung des Wärmeplans umgesetzt werden:
Als Top 1 führte Reu das Wohnbaugebiet Grundwegsiedlung, zweiter Bauabschnitt, an. Eine Neubausiedlung mit Klimaplus soll ein kaltes Nahwärmenetz mit einer oberflächennahen Geothermieanlage erhalten. Dem stimmte der Gemeinderat bereits zu. „Es ist ein Leuchtturmprojekt für Crailsheim“, betonte Reu nochmals. Das Ziel ist eine zukunftsfähige Wärme- und Kälteversorgung, die als erste Klimaplus-Siedlung in Crailsheim und als Modell für nachhaltige Energie in Neubaugebieten dient.
Top 2 ist der Bäderkomplex Maulachtal, wo die Nutzung industrieller Abwärme und der Neubau eines Hallenbades als Pilotprojekt für außerbetriebliche Abwärmenutzung erfolgen. Die Stadtwerke haben hier bereits mit der Firma Bürger ein Projekt in Angriff genommen, dass das neue Hallenbad mit industrieller Abwärme versorgen soll. Das Ziel ist insgesamt eine moderne Wärmeversorgung und die Nutzung vorhandener Potenziale in Crailsheim.
Ein Wärmenetz in der Innenstadt ist Top 3. Eine Studie zur Bedarfs-, Machbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsanalyse des bestehenden Wärmenetzes in der Innenstadt stehe bevor, erklärte Reu. Obwohl die Umsetzung eine Herausforderung darstellt, wird sie als wichtig erachtet. „Die Innenstadt hat ein hohes Potenzial für ein Wärmenetz“, so Eva Reu.
Top 4 ist die Entwicklung einer Fernwärmestrategie Crailsheim 2040. Es sei eine langfristige Vision für die Wärmeversorgung in 2040, die erarbeitet werde, sagte Reu. Diese solle als konkreter Plan für den Ausbau des Fernwärmenetzes dienen. Somit könne Planungssicherheit für Bürger, Stadt und Stadtwerke geboten werden.
Die Entwicklung einer übergeordneten Kampagne zur Wärmewende wurde als Top 5 vorgestellt. Eine gemeinschaftliche Kampagne zur Wärmewende werde angestrebt, um aus vielen kleinen Schritten ein großes Ziel zu erreichen. „Die Wärmewende müssen wir als Gemeinschaftsaufgabe sehen“, betonte Reu und nannte den Slogan: „Wir Crailsheimer schaffen das!“
Ausblick und Umsetzung
Abschließend gab Daniel Czybulka, Ressort Stadtentwicklung, einen Ausblick: „Wenn der Gemeinderat den hier präsentierten Wärmeplan beschließt, kann es erst weitergehen. Und wir haben immer den Blick auf die Entwicklung beim Bundesgesetz.“ Die nächsten Schritte beinhalten dann die Meldung verschiedener Kennzahlen an das Regierungspräsidium sowie die Veröffentlichung auf der Stadtwebsite. „Wenn alles gut läuft, dann beginnen wir mit der Umsetzung der Maßnahmen im kommenden Frühjahr.“ Dadurch mache Crailsheim einen bedeutenden Schritt in Richtung einer nachhaltigen und klimafreundlichen Wärmeversorgung.
Fragen aus dem Gremium
Insgesamt kam das Konzept sehr gut im Gremium an. Im Bau- & Sozialausschuss ergaben sich allerdings auch Fragen. Gerade die derzeit unklare Bundesgesetzgebung war Thema, unter anderem für Wolfgang Lehnert (CDU). Da sei eine „Übergangsfrist rausgeschunden“ worden. Wenn der Plan beschlossen werde, ob diese dann entfalle und was passiere, wenn der Gemeinderat nicht zustimme? Es sei aber der komplett richtige Weg, die bereits vorhandenen Vorzeigeprojekte zu nennen. Bau- & Sozialbürgermeister Jörg Steuler antwortete, der Plan entspreche den Anforderungen des Landes, warum solle man ihn also nicht beschließen. Zudem gehe er von einer Systemeinigung von Bund und Land aus.
Dennis Arendt (SPD) betonte, dass es klar geworden sei, dass gestartet werden müsse. Die Top-Maßnahmen seien gut erarbeitet, zwei ohnehin schon auf dem Weg, die Grundwegsiedlung und die Industriewärme für das neue Hallenbad – „es wabert aber schon viel herum“, sprach auch er die Diskrepanz zwischen Bund und Land an. Wie es mit der Umsetzung aussehe, wollte er wissen, die Fraktion stimme aber grundsätzlich zu. Bürgermeister Steuler sagte dazu, es gehe nicht um eine Bauleitplanung, sondern erst mal um eine Studie zu Nahwärmenetz in der Innenstadt, wobei er „Studie“ betonte. Es gebe dort noch keine Wärmeleitungen und die Wirtschaftlichkeit müsse untersucht werden. Jochen Wüstner (AWV), sagte, der Vortrag habe die rund 200 Seiten-Vorlage deutlich klarer gemacht, für den einzelnen Bürger sei es aber nicht greifbar. Beispielsweise, wann es eine Umsetzungspflicht gebe. Er sei aber zuversichtlich mit dem Knowhow der Stadtwerke voranzukommen und es gebe eben schon innovative Projekte.
Ergänzende Anträge der GRÜNEN
Ähnlich äußerte sich auch Sebastian Karg für die Fraktion der GRÜNEN. Es sei eine gute theoretische Grundlage, fundierte Zahlen würden es aber einfacher machen. Die Erwartung der Bürger, konkrete zu sagen, was eingebaut werden soll, könne man als Kommune wohl auch nicht erfüllen. Man wünsche sich aber auch mehr Tempo. Er stellte zwei Anträge. Zum einen, bis Ende 2024 zu prüfen, welche öffentlichen Parkplätze, ausgenommen der Volksfestplatz, mit Photovoltaik überdacht werden könnten. Zum anderen wollte er eine Datenerhebung zur potentiellen Nutzung von Abwasserwärme. Dazu meinte Bürgermeister Steuler, er verstehe das Anliegen durchaus, eine PV-Überdachung für Parkplätze sei allerdings doppelt so teuer wie eine normale Anlage. Und zum zweiten Antrag müsse zunächst die Zuständigkeit geklärt werden. Dazu wollte Karg wissen, ob es Messungen der Flusswasserwärme gebe. Und wie weit man generell mit dem Thema sei. Ron Hilgart von den Stadtwerken meinte, man habe zwei Messstellen vor und nach Crailsheim, ob eine eigene Messstelle nötig sei, könne er nicht beurteilen. Und es gebe sehr gute Projekte in Deutschland, die Flusswasserwärme nutzten. Beim Thema Abwasserwärme wäre aber sicher eine Studie sinnvoll, ergänzte Eva Reu.
Studie klärt Finanzierung
Uwe Berger (CDU) sagte, es hänge alles mit der Finanzierbarkeit zusammen, es werde aber nirgends ein Investitionsvolumen genannt. Wer zahle es, Stadt, Bürger, Stadtwerke? Der Begriff Potential heiße nur, Fähigkeit etwas umzusetzen. Es könne aber nicht sein, dass da alles ausgeschöpft werde. Er halte diese Wunschliste, diesen optimalen Zustand bis 2040 umzusetzen, für unrealistisch, lasse sich aber gerne belehren. Konkret wollte er wissen, was eine Verabschiedung des kommunalen Wärmeplans für den Bürger ändere. Bürgermeister Steuler sagte darauf, es sei klar, dass man bis 2040 noch nicht fertig sei. Kosten würden sich in der Studie zur Wärmestrategie entwickeln. Es gebe Kosten zu Wärmenetzen, die aber jetzt zu nennen unseriös sei. Potentiale könnten aber sicher nicht zu 100 Prozent ausgenutzt werden. Das bestätigte Eva Reu von den Stadtwerken, es bedeute nur, was theoretisch möglich sei, es sei fiktiv erfasst. Und Auswirkungen habe es für den Bürger erst mal gar keine, trotz Diskrepanz zwischen Bund und Land, man würde als Gemeinderat aber nach dem Wärmeschutzgesetz Baden-Württemberg beschließen.
SPD-Stadtrat Roland Klie wollte das Finanzielle doch noch mal wissen. Eva Reu betonte erneut, es sei schwierig dazu etwas zu sagen. Bei einem kleinen Wärmenetz könne man mit 4 Millionen Euro rechnen. Ein großes, wie es in der Innenstadt vorstellbar sein könnte, wäre möglicherweise um die 60 Millionen Euro teuer. Aber wie solche Kosten dann verteilt würden, müsste erst geklärt werden. Stefan Markus, Ressortleiter Stadtentwicklung, stellte noch mal klar, es werde erst ein Schritt geprüft, dann entschieden, welcher Energieträger genutzt werden könne. Dennis Arendt fragte nach, ob es Mittel von Land oder Bund gebe. Laut Plan gebe es ja ein großes Einsparpotential. Es gebe bei Wärmenetzen Förderprogramme, sowohl für die Machbarkeitsstudien als auch für die Umsetzung. Gefördert würden bis zu 40 Prozent. Die Studie prüfe auch diese Möglichkeiten, so Reu.
Im Ausschuss wurden schließlich die beiden Anträge der GRÜNEN mehrheitlich empfohlen und auch dem Vorschlag der Verwaltung, den vorliegenden Kommunalen Wärmeplan zu empfehlen, mehrheitlich zugestimmt. Der Gemeinderat folgte am Ende dieser Entscheidung.
Anmerkung im Gemeinderat
Zuvor wies Stadtrat Peter Gansky darauf hin, das Gewerbegebiet Härtle auch in die Planung aufzunehmen, er lese nur von Wohngebieten. „Die Stadtwerke haben Erfahrung mit Gewerbetreibenden, die können das doch gut organisieren.“ Sozial- & Baubürgermeister Jörg Steuler wies darauf hin, dass die Wärmeplanung bis zum 31. Dezember abgegeben sein müsse und machte einen Gegenvorschlag: Es gebe demnächst ein Mobilitäts- und Energiekonzept für das Gewerbegebiet, in diesem Zusammenhang könne man auf das Anliegen durchaus eingehen. Der Ressortleiter Stadtentwicklung, Stefan Markus, ergänzte, dass Härtle ohnehin im Wärmeplan unter den zukünftigen Projekten berücksichtigt sei.