8. Crailsheimer Handwerksvesper
Handwerk mal anders: Provokation und Inszenierung
Hauptattraktion beim achten Handwerksvesper, dem Branchentreffen der Handwerkerinnen und Handwerker im Crailsheimer Hangar, waren die Wildbakers. Ihr Impulsvortrag, man könnte auch sagen ihre Show, war geprägt von dem Drang, von neuen und modernen Wegen im Handwerksmarketing zu erzählen. "Bakertainment" nennen das Jörg Schmid und Johannes Hirth und gehen dabei ihren ganz eigenen Weg.
Gemeinsam essen, sich austauschen in lockerer Atmosphäre und ein unterhaltsames Programm genießen – darum ging es beim Handwerksvesper vergangene Woche. Das Catering wurde dieses Mal von Lehrer Friedrich Albrecht von der Gewerblichen Schule und seinen Schülerinnen und Schüler der Klasse AVdual zum Teil selbst produziert, vorbereitet und den rund 80 Gästen angeboten. Verschiedene Arten von Würsten und ebenso Brot aus eigener Schulproduktion sowie vegetarische Gaumenfreuden trafen auf regen Zuspruch bei den Gästen.
Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer begrüßte die Anwesenden. Er drückte seine Freude über die vielen Teilnehmenden der örtlichen und überörtlichen Handwerksbetriebe aus und darüber, dass erstmals seit 2020 wieder ein Handwerksvesper möglich sei. Die Stadt wolle mit diesem Format den Austausch untereinander und die Vernetzung miteinander fördern, so der Oberbürgermeister. Zudem wies er auf die vielfältigen Wege und Plattformen hin, wie die Stadtverwaltung das Handwerk unterstützt. Dazu gehört der Wirtschaftspreis mit seinen drei Kategorien, wobei eine davon für den „Handwerksbetrieb des Jahres“ vergeben wird. Die bisherigen Sieger hießen Zanzinger GmbH aus Triensbach, Schaffner Elektroservice aus Jagstheim und aktuell Biermanufaktur Engel. Die Handwerksbetriebe halten sich bei Bewerbungen für diese Auszeichnung bisher noch zurück. Dr. Grimmer hoffte hier auf eine regere Teilnahme mit Selbstbewerbungen oder Empfehlungen. Bei der Ausbildungsmesse „Berufsinformationstag“ im Hangar freue man sich über jedes Unternehmen aus dem Bereich Handwerk. Aktionen des Vereins Stadtmarketing wie „Crailsheim nimmt sich Zeit“, das Fränkische Volksfest oder den landesübergreifenden Kita-Wettbewerb des Handwerks „Kleine Hände, große Zukunft“ nannte der Oberbürgermeister als weitere Beispiele für Präsentations- und Beteiligungsmöglichkeiten. Dr. Grimmer betonte den Willen und Einsatz der Handwerksbetriebe und Innungen, neue Herausforderungen anzunehmen, ohne dabei die Handwerkstradition aus den Augen zu verlieren.
Wildbakers legen wild los
Nach dieser Begrüßung dröhnte der Schlachtruf „Hey ho! Let’s Go!“ der amerikanischen Punkrock-Band The Ramones aus den Boxen im Hangar. Mit einer dazu passenden schnell geschnittenen Videosequenz zeigten die Wildbakers gleich zu Beginn, worum es ihnen geht: Sie wollen Aufmerkamkeit schaffen, sie inszenieren sich als kernige Kerle, setzen sich in Szene als draufgängerisch und unangepasst. Ein gelber Chevy Camaro, Feuer, Mehl und kräftige Farben tauchen als Elemente in ihrem Kommunikationsauftritt immer wieder auf.
Aber nur wild sind die beiden Bäcker nicht. Sie stammen beide aus traditionellen Handwersbäckereien aus Bad Friedrichshall und Gomaringen bei Tübingen. Ihnen geht es darum, das Backen erlebbar zu machen. Das tun sie mit Backkursen, Backshows und Degustationen, sprich Verkostungen, wie man sie bei Weinen oder auch Bieren kennt. Sie sind Buchautoren und haben bei mehreren TV-Formaten von Sendern wie RTL, Pro7 oder dem SWR mitgewirkt. Hohe Qualität der Rohstoffe und der Produkte liegen ihnen sehr am Herzen, sie versprechen echten Genuss und wollen dieses Versprechen einlösen. Dieses taten sie auch im Hangar, nach ihrem Auftritt kamen die Gäste bei einer Verkostung in den Genuss ihrer mitgebrachten Brotsorten.
Im Zentrum des Marketings der Wildbakers stehen die fünf As: „Alles anders als alle anderen.“ Jeder Betrieb, egal in welchem Gewerk, sollte seinen eigenen Weg gehen. Einfach machen und nicht nachmachen lautet die Devise. Provokation und Inszenierung sind grundlegende Bestandteile bei dem, was Jörg Schmid und Johannes Hirth machen. Das geht bis zu einem (online inzwischen gesperrten) Video mit einem Schmähgedicht gegen Brot von Discountern. Es geht aber auch seriöser und tiefgründiger, zum Beispiel im Umgang mit den Mitarbeitenden: In Image-Videos berichten die Angestellten, warum sie gerne bei Hirth oder Schmid arbeiten, was den Teamgeist ausmacht und wie stark der Zusammenhalt ist. Das wiederum unterstützen die Wildbakers mit der Kampagne „Helden der Nacht, Retter des Morgens“. Hier werden unter anderem die beruflichen Nachteile des frühen Aufstehens umgedeutet in etwas Besonders, das nicht jede/r kann. Diese Kampagne wirkt nicht nur nach innen und verstärkt den Zusammenhalt, sondern auch nach außen zur Gewinnung neuer Arbeitskräfte. Das Suchen nach Mitarbeitenden betreiben die Wildbakers ohnehin eher niederschwellig. Sie berichteten von Schnellbewerbungen über einen bekannten Messengerdienst oder über einen Kurzbewerbungsbogen als Rückseite eines Flyers. Letztendlich lautete der wichtigste Impuls der Wildbakers: Jede/r Handwerker/in kann das und der Spaß an der Sache entschädigt für den Aufwand.
Horst Herold, stellvertretender Leiter des Ressorts Bildung & Wirtschaft, und seine Kollegin Sonja Heuchel, die gemeinsam das Event organisierten und betreuten, möchten den nun eingeschlagenen konzeptionellen Weg beim Handwerksvesper weiterverfolgen. Herold meint dazu: „Ich denke, diese Mischung aus Entertainment auf der Hangarbühne und die Möglichkeit, sich vor und nach dem kurzweiligen Bühnenprogramm auszutauschen, kam sehr gut an. Die Thementische wurden ebenfalls rege genutzt.“ An mehreren Thementischen luden die WFG Schwäbisch Hall, das Amt für Migration, der Verein Stadtmarketing Crailsheim und die Gewerbliche Schule zu Gesprächen ein. Das Ressort Bildung & Wirtschaft, vertreten durch Sonja Heuchel und Horst Herold, als Veranstalter des Branchenevents freut sich auf Rückmeldung und Anregungen zum Handwerksvesper: sonja.heuchel@crailsheim.de und horst.herold@crailsheim.de.