Stadtfeiertag-Veranstaltungen

Die Kultur im Mittelpunkt

Matthias Romir machte gleich zu Beginn das Motto des Abends klar: Stimmung.

Sowohl das Bürgerfest als auch der Heimatgeschichtliche Abend standen ganz im Zeichen der Kultur. Denn die Kulturinitiative in Crailsheim, kurz Kultic, feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Zugleich waren die Feierlichkeiten auch eine Rückkehr zur Normalität, waren es doch 2020 die letzten großen Veranstaltungen, ehe die Coronapandemie ausbrach.

Bürgerfest im Hangar kurzweilig und gut besucht

„Kultur ist die ganze Lebensweise eines Volkes, alles, was das Leben lebenswert macht.“ Damit zitierte Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer in seiner Begrüßungsrede am vergangenen Samstag den englischen Lyriker Thomas Stearns und lieferte so eine mögliche Antwort auf die von ihm selbst gestellte Frage: „Was ist eigentlich Kultur? Wahrscheinlich definiert dies jeder von uns für sich ein bisschen anders.“

Das Bürgerfest, aufgrund der Corona-Pandemie zuletzt gefeiert 2019, stand ganz unter dem Motto „Kultur in Crailsheim“. Im vergangenen Jahr wurden 25 Jahre Kulturwochenende gefeiert, in diesem Jahr sind es dann 25 Jahre Kulturinitiative in Crailsheim. „Ich hoffe, dass Kultic bestehen bleibt, die Kultur der Stadt organisiert und sie so bereichert“, sagte Grimmer. Gerade die Kultur habe in den vergangenen Jahren pandemiebedingt zurückstecken müssen. Er lud alle Gäste auf einen unterhaltsamen Abend ein, für den die Kulturverantwortlichen der Stadtverwaltung ein rundum gelungenes Ambiente für die Bürgerfest-Show geschaffen hatten. Dazu meinte Oberbürgermeister Grimmer: „Man sieht heute, was hier im Hangar möglich ist, bei aller Kritik, die der Erwerb erfährt.“ Er bedankte sich vorab bei den Künstlern des Abends, was nicht verfrüht war.

Feierten gemeinsam das Bürgerfest (von links): Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer, Romi Seebohm-Mitsch, Dr. Wolfgang Hägele und Astrid Hackenbeck.

Stimmung statt Hemmung
Alle drei Darbietungen unterhielten die rund 500 Gäste auf unterschiedliche Art und Weise. Bereits einen guten Start legte der schwarze Clown Matthias Romir auf Rollschuhen hin. Mit einem Schild forderte er „Stimmung“ – und stellte, ebenfalls per Schild, „Hemmung“ fest. Das ließ sich das Publikum allerdings nicht gefallen – und zog schon nach wenigen Minuten mit sehr guter Stimmung mit. Diese ließ auch bei den folgenden Künstlern nicht nach: Sowohl die A-Capella-Gruppe „Anders“ aus Freiburg als auch der niederbayrische Kabarettist Martin Frank sorgten für Zugaben und begeisterten Applaus. Durch den Abend führte ebenfalls sehr unterhaltsam Astrid Hackenbeck, Gründungsmitglied des Crailsheimer Vereins Kultic vor 25 Jahren. In kurzen Interviews mit den Vereinsvorständen Romi Seebohm-Mitsch und Dr. Wolfgang Hägele zwischen den Show-Einlagen ging es um die Geschichte des Vereins und die aktuelle Lage für die Kultur in Crailsheim. Gerade beim Thema Spielstätten sei der Bedarf sehr hoch, so eine Feststellung der drei.

Spenden an Erdbebenopfer
Insgesamt endete der Abend in der After-Show-Party wohl für alle mehr als nur zufriedenstellend, ein gelungenes Bürgerfest 2023 in der neuen Stadthalle Hangar nach pandemiebedingter Pause. Die Erlöse aus den Eintrittskarten, auch des Heimatgeschichtlichen Abends am vergangenen Sonntag, gehen im Übrigen als Spende an die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien. Gesammelte Gelder aus aufgestellten Spendenkassen in Höhe von 1.100 Euro kamen noch dazu.

Heimatgeschichtlicher Abend: Mehr als nur kulturelle Grundversorgung

Kunsthistorikerin Dr. Helga Steiger referierte über den Burgberg und gab die zugehörige Legende zum Besten.

350 Besucherinnen und Besucher: Besonders häufig kommt es nicht vor, dass so viele Menschen zusammenkommen, um etwas über die Geschichte ihrer Stadt zu hören, wie es am Sonntagabend im Hangar der Fall war. Doch es war kein gewöhnlicher Vortrag, es war der Heimatgeschichtliche Abend im Vorfeld des Stadtfeiertages – und der ist dafür bekannt, nicht nur spannende und ungewöhnliche Blickwinkel auf ausgewählte historische Bereiche zu werfen, sondern das Ganze auch noch mit Witz und dem ein oder anderen Schmunzeln zu untermalen. Hauptprotagonisten des Abends waren Kunsthistorikerin Dr. Helga Steiger vom Sachgebiet Archiv & Museen und Stadtarchivar Folker Förtsch, die über den Burgberg und die Entwicklung der Kultur in Crailsheim referierten.
Unterstützt wurden sie durch die Band „Echt hand’gmacht“, die sich kreativ zeigte und nicht nur schmissige, sondern auch thematisch passende Lieder zum Besten gab. „Der Heimatgeschichtliche Abend ist ein liebgewonnenes Veranstaltungsformat, das aus den Feierlichkeiten des Stadtfeiertags nicht mehr wegzudenken ist“, sagte Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer in seiner Begrüßung und betonte, dass Kunst und Kultur in Crailsheim auch künftig als wichtige Aspekte des gesellschaftlichen Lebens gepflegt werden sollten.

Wallfahrt- und Naherholungsort
534 Meter: Die Schätzfrage nach der Höhe des Burgberges wurde vom Publikum innerhalb weniger Sekunden richtig beantwortet. Steigers nächste Frage, warum der Burgberg überhaupt Thema ihres Vortrags sei, stellte sich allerdings als etwas komplizierter heraus. „Schließlich befindet sich dieser doch streng genommen auf der Gemarkung Frankenhardt und das bereits seit rund 50 Jahren“, sagte sie. Doch ihr ging es weniger um die vielfältigen rechtlichen Zuständigkeiten als vielmehr darum, die Bedeutung des kleinen Berges als Wallfahrtsort hin zum Naherholungsort darzustellen – und das eben vor allem im Hinblick auf die historischen Beziehungen zu Crailsheim.

So stellte die Kunsthistorikerin die frühe Bedeutung des Burgbergs als Waldgebiet heraus, aus dem die wichtigen Rohstoffe Holz, Wild und Harz gewonnen wurden. „Viele Ortsbezeichnungen wie Ölhaus oder Schmierhof erinnern noch heute an die Pech- und Harzgewinnung“, so Steiger und ließ das Publikum wissen, dass beispielsweise das Holz für den Dachstuhl der Gottesackerkapelle aus dem Burgbergwald stammt. Gehörte der Wald zunächst den Markgrafen von Ansbach, wurde er mit der Übernahme 1810 nach Württemberg dem Forstamt Crailsheim im Revier Roßfeld zugeordnet. „Der Wildmeister hatte seinen Dienstsitz auf dem Burgberg, wohl schon 1746, doch es gibt eine Legende, die besagt, dass dies nicht das erste Gebäude dort oben war“, sagte Steiger. So soll ein Hirte im 15. Jahrhundert dort Rast gemacht und eine gespaltene Buche gefunden haben, in der sich Wasser gesammelt habe. Der Hirte nun ging von einer wundersamen Heilquelle aus, Wallfahrten dorthin begannen, Zuwendungen und Stiftungen wurden mehr und eine Kapelle zu Ehren Marias wurde errichtet. Kurze Zeit später war die Kapelle so wohlhabend, dass ein Priester eingestellt wurde.

Legende von der Heilquelle
Es folgten ein Haus für Geistliche, ein Wirtshaus und ein Badhaus, und mit Agatha von Vellberg fand sich eine große Stifterin, deren Erbe Hans von Berlichingen später jedoch nicht mehr dafür zahlen wollte, da dort oben in Zeiten der Reformation keine Gottesdienste mehr stattfanden. Es kam zu einer Fehde unter Beteiligung von Götz von Berlichingen, die erst 15 Jahre später beigelegt wurde – doch was tun mit einem Wallfahrtsort ohne Kirche und ohne Wallfahrt? Die Kapelle zerfiel allmählich, da die Gelder in den Jahren dennoch eingesammelt worden waren, ordnete der Markgraf an, dass die Überschüsse in die Schulpflege fließen sollten – immerhin 30 bis 40 Gulden pro Jahr.

Und der Burgberg? „Die Burgbergpflege wurde städtische Angelegenheit und im 18. Jahrhundert zog der Wildmeister dort ein. Doch das Bewusstsein, dass es hier eine Heilquelle gegeben hatte, blieb. 1629 wurde ein neuer Brunnen gebaut. Und es gab etliche Almosen der Burgbergpflege für Brandopfer, für Durchreisende, Vertriebene, Glaubensflüchtlinge. Es wurde sich um die Bestattung von Armen gekümmert, um Menschen mit psychisch kranken Kindern und Menschen mit Augenleiden“, sagte Steiger. 1864 ließ König Wilhelm I. mehr als 300 Mammutbäume in der Wilhelma aufziehen, unter anderem wurde ein solcher später auch auf dem Burgberg eingepflanzt. Für den Erhalt und die Verschönerung des Burgbergs engagierte sich anschließend Revierförster Alois Paradei, und 1892 gründete sich der Schwäbische Albverein, der bis heute für die Schutzhütte und den Turm zuständig ist, der 1885 gebaut und 1961 neu errichtet wurde.

Der Burgberg ist also nicht nur Naherholungsort, sondern auch ein Ort mit sagenumwobener Geschichte. „Was wir da oben suchen, wird jede und jeder anders beantworten“, schloss Steiger ihren Vortrag und übergab an Folker Förtsch, der sich in der folgenden Stunde mit der Kultur in Crailsheim in fast all ihren Facetten beschäftigte.

Stadtarchivar Folker Förtsch packte die Geschichte der Kultur in Crailsheim gekonnt in eine Stunde.

Zeitreise durch die Crailsheimer Kultur
„Fast deshalb, weil es mir hier natürlich nicht um Rad- oder Grillkultur geht. Ich möchte die Geschichte, die Entwicklung und den Stellenwert der Kultur, und zwar im Kern des Begriffes, in Crailsheim aufzeigen“, so Förtsch. Und das tat er dann auch, angefangen von der christlichen Kultur im Mittelalter mit der kunstvollen Kirchenausstattung wie Altäre und Bildwerke über bürgerliche Vereinsgründungen und Veranstaltungsorte bis hin zur Gründung des Heimatmuseums, dem Beginn der Kinogeschichte in Crailsheim und den Anfängen der Hochkultur. Einen Überblick über die Crailsheimer Kultur in etwas mehr als einer Stunde: Was schier unmöglich klingt, ist Förtsch mit Leichtigkeit und einer solchen Fülle an interessanten Fakten gelungen, dass die lange Geschichte der Kultur den Zuhörenden tatsächlich sehr kurzweilig vorgekommen sein dürfte. Ein Paradebeispiel der Erzählkultur, könnte man sagen.

Doch von vorn. Ihren Anfang findet die Kultur in Crailsheim, wie so häufig, in der Religion. „Bildende Kunst wurde im 15. Jahrhundert langsam durch Musik und geistliche Schauspiele ergänzt. Und bereits 1478 wird die Schwalbennest-Orgel in der Johanneskirche erwähnt – 1709 wurde dort die heutige Orgel gebaut. Seit vier Jahrhunderten gehören Organisten also zu den wichtigsten Kulturtreibenden in Crailsheim“, so Förtsch und erwähnte am Rande mit dem Stück von Daniel Diedel aus dem Jahr 1647 die älteste erhaltene Komposition eines Crailsheimer Musikers. Fun fact: Schultheiß Johann Friedrich Faber war zugleich auch Organist – „der bis heute einzige Künstler als Stadtoberhaupt“, so Förtsch. Moderne Kirchenkunst finde man auch in der Bonifatiuskirche und zwei herausragende Beispiele der Kirchenkultur seien der Wolgemut-Altar und die Adam-Weiß-Bibliothek.

Festhalle schon lange diskutiert
Mit einem kleinen Sprung durch die Zeit blickte der Stadtarchivar anschließend auf die ersten Vereinsgründungen, die entweder Sport- oder zu Gesangszwecken dienten. „Die Gründung vom Gesangsverein Harmonia 1847, zuvor als Concordia bekannt, war beispielsweise Ausdruck eines bürgerlichen Emanzipationsbedürfnisses, da zu der Zeit das politische Engagement der Gesellschaft unterdrückt wurde“, sagte Förtsch. 1857 folgte eines der kulturellen Aushängeschilder der Stadt: die Stadtkapelle Crailsheim. Die Musikschule der Dynastie Müller kam 1883; Louis Müller hatte als städtischer Musikdirektor ab 1906 die erste feste Anstellungsurkunde der Stadt. Die Orchestervereinigung Crailsheim, Auftritte internationaler Ensembles in Gasthäusern, der Eichwald als kultureller Veranstaltungsort: Dass sich die Kultur mit den Jahren immer wieder gewandelt hat, verdeutlichte Förtsch anhand zahlreicher Beispiele. „Und übrigens: Schon seit den 1890er Jahren wird hier über den Bau einer städtischen Festhalle diskutiert. Da ist das letzte Wort wohl auch heute noch nicht gesprochen.“

Die Band "Echt hand′gmacht" untermalte den Abend mit der passenden Musik.

Als weitere wichtige Daten nannte er die Gründung des Heimat- und Altertumsvereins 1920, der Vorläufer des heutigen Crailsheimer Historischen Vereins, das erste Museum 1922 im Turmzimmer des Rathauses, die Fränkische Familie seit 1925 und das Heimatbuch 1928 sowie die Anfänge des Kinos 1919 im Gasthaus Falken und Gasthaus Ritter. „1960 bis 1990 war die Ära Baier, die Macher der Crailsheimer Hochkultur“, so Förtsch. Es gründete sich die Konzertgemeinde mit über 400 Gästen pro Konzert und Crailsheim genoss den Ruf einer exquisiten Kulturstadt. Hinzu kamen die literarische Gesellschaft, die Theatergemeinde und die Kunstfreunde. „Hochkultur ruft aber immer auch Skepsis hervor. Und so entstand die Kulturinitiative Crailsheim, ein bisschen frech, ein bisschen rebellisch und kulturell sehr vielseitig“, erzählte Förtsch.

Nach der Auflösung 1996 folgte 1998 der Verein KultiC – dessen 25-jähriges Gründungsjubiläum war ja bereits beim Bürgerfest am Abend zuvor ausgiebig bedacht worden. Jugendkultur, Kulturkneipen, Kunst im öffentlichen Raum und die städtische Kulturpolitik: Es gab fast keinen Bereich, den Förtsch nicht beleuchtete und somit schloss er die Reise durch die Kulturgeschichte Crailsheims mit kurzen Steckbriefen zu zahlreichen Persönlichkeiten aus Crailsheim, die im kulturellen Bereich Großes bewirkt haben oder noch immer bewirken. „Kultur lebt von ihren Akteuren. Aber auch von den Strukturen, in denen sie sich abspielt, weshalb sie durchaus eine stadtpolitische Aufgabe ist. Crailsheim kann nicht nur kulturelle Grundversorgung, Crailsheim kann auch Kulturhighlights bieten. Das ist keine Selbstverständlichkeit – und dafür müssen wir uns einsetzen“, schloss Förtsch.

(Erstellt am 15. Februar 2023)