Interview
Jugendgemeinderat: Die Chance, etwas verändern zu können
Wo drückt den Jugendlichen in Crailsheim der Schuh? Welche Themen sollten unbedingt auch mal im Gemeinderat behandelt werden? Und wie können Jugendliche eigentlich konkret Einfluss auf die Entwicklungen in ihrer Stadt nehmen? Die beiden 15-jährigen Vorsitzenden des Jugendgemeinderates, Klara Klunker und Niclas Lies, sind seit dem 26. März 2022 in ihren Ämtern und konnten in dieser Zeit schon einiges bewirken und anstoßen. Wie genau ihre Arbeit im Gremium aussieht, erzählen sie im Interview.
Lange Zeit kam kein neuer Jugendgemeinderat zustande. Ihr beiden seid nun bei der Wahl Anfang 2022 in das Gremium gewählt worden – als Vorsitzende und Stellvertreter. Warum habt ihr euch dafür beworben?
Klara Klunker: Durch die Familie interessiere ich mich unglaublich für Politik. Da habe ich den Jugendgemeinderat als Chance gesehen, um etwas verändern zu können. Ich möchte nicht hinter dem Rücken anderer schimpfen und mich beschweren, dass sie nichts machen. Ich habe mich für den Jugendgemeinderat aufstellen lassen, weil ich meine Ideen gerne umsetzen möchte.
Niclas Lies: Ich wollte schon immer irgendetwas verändern. Früher dachte ich, ich könne nichts Großes bewirken. Nun bin schon im zweiten Jahr Schülersprecher an der Realschule zur Flügelau und da habe ich gemerkt, dass ich doch etwas verändern kann – auch, wenn ich nicht volljährig bin. Als ich mitbekommen habe, dass es eine Jugendgemeinderatswahl geben wird, versuchte ich einfach mein Glück – mit der Einstellung, etwas verändern zu wollen und zu können.
Was genau wollt ihr denn bewirken? Und wie einigt ihr euch, welche Themen euch wichtig sind?
Lies: Wir haben fixe Punkte, wie zum Beispiel die Nachbesprechung vom Gemeinderat. Da reden wird dann darüber, welche Themen jugendrelevant waren und was wichtig für die Jugendlichen in Crailsheim ist. Außerdem planen wir Aktionen und Events für die Jugendlichen.
Klunker: Viele von uns kommen auch mit eigenen Ideen in die Sitzung. Ein großes Anliegen sind uns die Aufenthaltsmöglichkeiten in der Stadt. Es gibt, glaube ich, keine Sitzung, in der wir nicht darüber reden, wie wir das irgendwie voranbringen können. Das ist das große Ding, was uns im Jugendgemeinderat alle verbindet, und für einige war es auch ein Grund, sich überhaupt dafür aufstellen zu lassen. Und das geht nicht nur den Jugendgemeinderat an, da muss auch der Gemeinderat hinschauen und sich einsetzen.
Ihr habt Ende vergangenen Jahres einen Antrag im Gemeinderat gestellt. Wie kam es dazu?
Lies: Das war überhaupt das erste Mal, dass der Jugendgemeinderat einen Antrag gestellt hat. Da ging es um die Bereitstellung kostenloser Menstruationsartikel an Crailsheimer Schulen. Und der Antrag wird bestimmt auch nicht der letzte bleiben.
Klunker: Ich persönlich war richtig stolz. Der Antrag war echt gut formuliert und wir haben durchweg positive Reaktionen darauf erhalten. Und ja, Niclas hat Recht: Das war wohl nicht der letzte Antrag. Gerade in Richtung Aufenthaltsmöglichkeiten überlegen wir fieberhaft, was man machen könnte. Daran schließt sich dann quasi nahtlos das Thema ÖPNV an – ein so großes Thema, dass es schon anstrengend ist, wenn man nur daran denkt.
Ihr habt also schon das Gefühl, als Jugendliche in der Kommunalpolitik auch ernst genommen zu werden?
Lies: Ja, auf jeden Fall. In den Gemeinderatssitzungen unterhalten wir uns ja auch mit den Stadträtinnen und Stadträten und tauschen uns aus.
Klunker: Der Großteil nimmt uns ernst, würde ich sagen. Vor allem, weil wir einfach präsent sind. Wir waren bislang in jedem Haupt-, Bau- und Sozialausschuss sowie Gemeinderat. Das zeigt schon, dass wir es selbst auch ernst nehmen.
Die Stadträtinnen und Stadträte haben euch bereits mehrfach für euer Engagement gelobt. Wie fühlt sich das an?
Lies: Wir haben nicht nur alle Sitzungen mitgemacht, wir waren meistens auch mit weiteren Mitgliedern vom Jugendgemeinderat als Zuschauer vertreten. Und wenn das dann positiv wahrgenommen wird, freut es uns natürlich.
Zum Thema Feedback: Wie sieht’s im privaten Umfeld aus, was sagen Freunde und Familie zu eurem Engagement im Jugendgemeinderat?
Lies: Von Freunden kommen ganz oft Vorschläge, die ich auch gut finde. Ich nehme das natürlich auf und dann versuche ich, da was zu machen. Meine Eltern finden es sehr gut, dass ich mich engagiere. Dass ich da wirklich viel Zeit reinstecke. Und meine Freunde denken genauso darüber, ich habe also Unterstützung von allen Seiten.
Klunker: Ja, das ist bei mir genauso. Natürlich gibt es auch diejenigen, die es zwar toll finden, was ich mache, sich das selbst aber niemals vorstellen könnten. Aber das ist ja auch in Ordnung.
Ihr sitzt teilweise richtig lange in den Gemeinderatssitzungen mit dabei. Wie viel Zeit nimmt die Arbeit für den Jugendgemeinderat in Anspruch und wie lässt sich das mit der Schule vereinbaren?
Klunker: Es kommt darauf an, in welcher Position man ist. Als Vorsitzende ist es natürlich nochmal anders, da wird man von den anderen Jugendgemeinderatsmitgliedern auch mal spontan angerufen, wenn sie bei irgendwelchen Aktionen Hilfe brauchen. Außerdem planen wir die Sitzungen zusammen mit Tessa Eign von der Stadtverwaltung, bereiten uns darauf vor – das dauert schon etwas länger. Aber ich habe gelernt, dieses Engagement und die Schule ganz gut zu trennen. Irgendwann muss man sich einfach abkapseln und sagen: Okay, jetzt ist Schule, jetzt denke ich mal nicht an die Aufgaben aus dem Jugendgemeinderat.
Lies: Es ist auch abhängig davon, was gerade ansteht. Zum Beispiel steckte hinter unserem Stand auf dem Adventscarré sehr viel Planung. Grob überschlagen, würde ich sagen, sind es im Monat etwa 20 Stunden, die wir für den Jugendgemeinderat aufwenden. Ohne Teilnahme an den Ausschüssen und Gemeinderatssitzungen. Wir sind uns einig, dass es sich mit der Schule noch vereinbaren lässt, aber gerade mit meiner Funktion als Schülersprecher habe ich dann doch nur sehr wenig Freizeit, um noch etwas anderes zu machen. Es ist stressig, aber man bekommt es schon hin. Und wir machen es ja gerne.
Apropos Zeitaufwand: Wie oft trefft ihr euch eigentlich? Und dauern eure Sitzungen auch so lange wie die des Gemeinderates?
Klunker: Wir treffen uns einmal im Monat, das ist fix. Aber gerade, um solche langen Sitzungen zu vermeiden, werden einige Themen meistens verschoben und in einer weiteren Sitzung besprochen.
Lies: Es gab bislang noch keinen Monat mit nur einer Sitzung, wenn ich mich recht erinnere. Aber die meiste Zeit nehmen auch nicht die Sitzungen selbst, sondern die Planungen vorher und die Nachbesprechungen in Anspruch.
Wie kann man sich eure Treffen vorstellen? Bei Pizza und Bier oder ganz seriös im Sitzungssaal?
Lies: Wir treffen uns im Rathaus, unser Stammplatz ist der Worthington-Besprechungsraum. Bier und Pizza gibt’s nicht, wir haben Brezel und Wasser. Natürlich reden wir ganz sachlich über die anstehenden Themen, aber wir können auch zusammen lachen und Spaß haben. Das eine schließt das andere zum Glück nicht aus.
Klunker: Wir wurden ja quasi alle von verschiedenen Schulen zusammengewürfelt und kannten uns nicht. Deshalb ist es umso schöner, dass sich schon richtige Freundschaften gebildet haben und wir teilweise auch unabhängig vom Jugendgemeinderat Dinge miteinander unternehmen.
Gibt es Dinge, die ihr euch vor eurer Amtszeit anders vorgestellt hättet? Und was hat euch überrascht?
Lies: Eigentlich ist es genau so, wie ich es mir gedacht habe – oder nein, sogar noch besser. Ich dachte anfangs, man müsse in den Sitzungen sehr förmlich sein. Tatsächlich sind aber alle sehr offen, wir machen auch mal Späße und lachen viel. Das hätte ich so nicht gedacht.
Klunker: Mir geht es genauso. Zuerst war ich immer sehr zurückhaltend und ernst, bis mir die anderen dann auch mal die Rückmeldung gegeben haben, dass wir das doch ruhig etwas lockerer angehen können. In der Sache bleiben wir also ernsthaft, aber der Umgang miteinander ist eher freundschaftlich.
Gehen auch eure Berufswünsche in Richtung Politik?
Klunker: Ja, ich möchte unbedingt in der Richtung aktiv bleiben. Was ich genau machen möchte, weiß ich noch nicht. Erst einmal den Realschulabschluss und danach das Abitur. Was dann kommt, bleibt abzuwarten. Ich will auch viel reisen. Aber eines weiß ich: Politisch aktiv will ich auf jeden Fall weiterhin bleiben.
Lies: Ich möchte ebenfalls Abitur machen. Danach würde ich gerne in Richtung Jura gehen, aber ich möchte auch, wenn es klappt, hier im Gemeinderat bleiben. Wer weiß, vielleicht sogar Bürgermeister. Ich hätte nichts dagegen.